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"Ich kam mir mehr und mehr als Arbeitsknecht der Sekte vor"

Michael Hitziger Das frühere UL-Mitglied hat kaum Kontakte zu früheren "Geschwistern" - "Ich bin mir meiner damaligen Blauäugigkeit bewusst"

Würzburg, Donnerstag, 26.02.2009 - 00:00 Uhr

Er war 17 Jahre Teil der Sekte Universelles Leben. 2001 sagte er sich los und lebt seitdem in der Nähe von Würzburg

\"Ich kam mir mehr und mehr als Arbeitsknecht der Sekte vor\"

Herr Hitziger, mit Ihrem Buch sind Sie nach Ihrem Ausstieg aus dem Universellen Leben (UL) einen mutigen Weg gegangen. Haben Sie es schon bereut?

Ich habe meinen Ausstieg nicht eine Sekunde bereut. Im Gegenteil: Nach vielen Jahren der Zugehörigkeit spürte ich, dass von den einst verkündeten urchristlichen Idealen im propagierten Friedensreich der "Prophetin" wenig übrig geblieben war. Stattdessen kam ich mir mehr und mehr als Arbeitsknecht der Sekte vor, der einem Gott diente, der vor allem Umsatz und Gewinn liebte. Ich bemerkte auch einen großen Unterschied im Lebensstil zwischen der "Prophetin" und uns Menschen an der Basis. So hätte ich mich geschämt, weiterhin dieser Organisation anzugehören. Das Buch über meine Erlebnisse in der Sekte war mir ein Herzensanliegen.

Haben Sie Angst vor Klagen seitens dem UL nahestehender Anwälte?

Nach meinen Erfahrungen musste ich damit rechnen, dass die "urchristlichen" Anwälte die gerichtliche Karte ziehen. Das ist bisher nicht erfolgt. Doch ist mein Buch durch eidesstattliche Erklärungen anderer Aussteiger sehr gut abgesichert. Sie waren 17 Jahre Teil der Sekte. Kontakt zu anderen Mitgeschwistern - ist der heute möglich?

Nach meiner Erfahrung kommt es mir wie ein ungeschriebener Verhaltenskodex der "Christusstaatsraison" vor, dass UL-Anhänger im "Friedensreich" der Gabriele Wittek nicht mit Aussteigern verkehren. Aussteiger gelten ja nach der Lehre der "Prophetin" als "Bundesbrüchler" und als Verbündete der Finsternis und somit als Widersacher Christi. Tatsächlich hatte nach meinem Ausstieg - von einer Ausnahme abgesehen - keines der vielen ehemaligen "Geschwister", mit denen ich über Jahre in Aachen, in der Klinik oder in Arbeitsgruppen zusammengearbeitet hatte, mich einmal angerufen und sich nach meinem Befinden oder meiner finanziellen Situation erkundigt. Ich selbst scheute umgekehrt ebenfalls die Initiative, um möglicherweise den ehemaligen "Geschwistern" Fragen aus ihrer Umgebung zu ersparen, weshalb ich sie angerufen und was ich gewollt hätte. Doch bin ich in Würzburg und an anderen von der Sekte entfernten Orten Menschen aus der Sekte begegnet, die mich äußerst freundlich und fast liebevoll begrüßten. Das kann damit zusammenhängen, dass sie sich unbeobachtet gefühlt haben.

Was raten Sie ihnen?

Das ist schwierig. Wer noch immer glaubt, dass Gabriele Wittek die "Prophetin des Herrn" ist, den kann man nur lassen, das weiß ich doch aus eigener Erfahrung von mir selbst. Mir erzählte jemand glaubhaft, dass es im sogenannten Friedensreich nunmehr auch Menschen geben soll, die nicht mehr an das Prophetentum Gabriele Witteks glauben, die aber dort ausharren, weil sie für sich keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt sehen. Auch da kann man keinem raten, da kann jeder nur für sich selbst entscheiden.

Können Sie heute noch glauben?

Meine Antwort ist ambivalent. Ich glaube weiterhin an einen liebenden Gott und an ein Weiterleben nach dem Tod. Christus allerdings, in dessen Namen ich im Friedensreich der "Prophetin" viel Leid erfahren und auch bei so vielen anderen "Geschwistern" mitbekommen habe, ist mir heute ferner als vor meinem Einstieg in die Sekte. Dabei weiß ich aber, dass nicht er die Verantwortung dafür trägt, sondern dass sein Name einfach missbraucht wurde. Meine Distanz zu Christus macht mich aber nicht glücklich, und ich habe den Wunsch, dass das nicht so bleibt.

Blicken Sie im Zorn zurück?

Wenn ich in der Vergangenheit in Würzburg an einem dem UL nahestehenden und inzwischen geschlossenen "Christusbetrieb" in der Nähe der Residenz mit seinen exquisiten Einrichtungs-Angeboten vorbeikam, kam mir meine als Folge des "Friedensreiches" der "Prophetin" beengte finanzielle Situation in den Sinn. Da ballte sich so manches Mal die Faust in meiner Manteltasche. Ich bin mir aber auch meiner damaligen Blauäugigkeit bewusst und vor allem der Tatsache, nicht auf mein Gewissen gehört zu haben, das doch eigentlich die Richtschnur für mein Handeln hätte gewesen sein sollen.